Das Einheitspatent und das Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht - Eine Ergänzung und Stärkung des Patentschutzes in Europa
Für den Patentschutz in Europa steht dieses Jahr eine grundlegende Veränderung an. Während Erfindungen in Europa bislang durch nationale Patente oder vom Europäischen Patentamt (EPA) zentral geprüfte und erteilte europäische Patente geschützt werden konnten, wird voraussichtlich in der zweiten Hälfte in diesem Jahr mit dem Inkrafttreten des Übereinkommens über ein einheitliches Patentgericht (EPGÜ) das Einheitspatent als neue Alternative für den Patentschutz in Europa hinzutreten.
Das Einheitspatent ist ein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung für alle am Übereinkommen teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten. Dies bedeutet, dass das Einheitspatent seinem Inhaber in diesen Staaten einen einheitlichen Patentschutz gewährleistet und in einem einzigen Gerichtsverfahren vor dem hierfür neu errichteten Einheitlichen Patentgericht (EPG) für alle diese Staaten über eine mutmaßliche Patentverletzung des Einheitspatents oder seine Rechtsbeständigkeit entschieden werden kann. Die Kosten für die Rechtsverfolgung können so auf ein einziges Verfahren konzentriert werden. Gleichzeitig besteht dadurch jedoch das Risiko, dass das Einheitspatent durch einen Zentralangriff mit Wirkung für alle teilnehmenden Mitgliedstaaten beschränkt oder vernichtet wird.
Zur Erlangung eines Einheitspatents muss beim Europäischen Patentamt wie bisher eine europäische Patentanmeldung eingereicht werden. Diese wird weiterhin zentral vom EPA geprüft. Im Unterschied zum klassischen europäischen Patent (EP), welches nach der Erteilung als Bündelpatent in nationale Patente mit unterschiedlichen Regelungen und einem damit verbundenen hohen Verwaltungsaufwand zerfällt, wird das Einheitspatent nach der Erteilung des EP durch einen Antrag auf einheitliche Wirkung beim EPA erteilt und dort zentral verwaltet. Für das Einheitspatent sind somit Jahresgebühren zentral an das EPA zu entrichten. Diese entsprechen ihrer Höhe nach im Wesentlichen den nationalen Jahresgebühren, die für die vier Vertragsstaaten anfallen würden, in denen das EP am häufigsten validiert wird. Zudem werden nach einer Übergangszeit von derzeit sechs Jahren keine Übersetzungen mehr erforderlich sein, wenn ein Einheitspatent beantragt wird. Für den Inhaber des Einheitspatents ergeben sich hierdurch reduzierte Verwaltungskosten, sodass ihnen bei gleichem Budget deutlich größere patentgeschützte Märkte zur Verfügung stehen werden.
Bislang ist das EPGÜ in den 17 EU-Mitgliedstaaten Österreich, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, in den Niederlanden, Portugal, Slowenien und in Schweden ratifiziert worden, davon zuletzt in Deutschland. Sobald Deutschland seine Ratifikationsurkunde hinterlegt hat, wird das EPGÜ spätestens vier Monate danach in Kraft treten. Dies ist voraussichtlich im Herbst 2022 der Fall. Weitere EU-Mitgliedstaaten könnten sich durch ihre Ratifizierung dem Übereinkommen anschließen, wobei die territoriale Wirkung bereits existierender Einheitspatente nicht nachträglich erweitert wird, sodass es mehrere Generationen von Einheitspatenten geben wird.
Die Regelungen zum Einheitspatent wirken sich auch auf bestehende europäische Patente rückwirkend aus. Inhaber europäischer Patente, die anstelle der neuen europäischen Gerichtsbarkeit vor dem EPG weiterhin auf die nationale Gerichtsbarkeit setzen möchten, können eine entsprechende Erklärung, das sog. „Opt-out“, abgeben. Ohne Opt-out würde auf europäische Patente in den teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten künftig die im Vergleich zu einem nationalen Gerichtsverfahren mit einem höheren Prozesskostenrisiko verbundene europäische Gerichtsbarkeit des EPG angewendet werden. Gerade mittelständische Unternehmen sollten daher vor dem Inkrafttreten des EPGÜ das Gespräch mit ihrem Patentanwalt suchen, um rechtzeitig ihre Patentstrategie an das neue Einheitspatentsystem anzupassen und gegebenenfalls notwendige Maßnahmen zu ergreifen.